Qua­ran­tä­ne für den Fuß­ball – Geis­ter­spie­le sind kei­ne Lösung!

 

Die Fra­ge, wann und in wel­cher Form wie­der Pro­fi­fuß­ball gespielt wer­den darf, wur­de in den ver­gan­ge­nen Tagen und Wochen viel dis­ku­tiert. In der nach wie vor teils unüber­sicht­li­chen gesell­schaft­li­chen Situa­ti­on wur­den von ver­schie­de­nen Akteu­ren eine Viel­zahl ethi­scher, epi­de­mio­lo­gi­scher und ande­rer Argu­men­te ins Feld geführt. Im Fol­gen­den möch­ten wir uns, als bun­des­wei­ter Zusam­men­schluss der Fan­sze­nen und mit Blick auf die DFL-Voll­ver­samm­lung, zu dem The­ma äußern:

Die Wie­der­auf­nah­me des Fuß­balls, auch in Form von Geis­ter­spie­len, ist in der aktu­el­len Situa­ti­on nicht ver­tret­bar – schon gar nicht unter dem Deck­man­tel der gesell­schaft­li­chen Ver­ant­wor­tung. Eine bal­di­ge Fort­set­zung der Sai­son wäre blan­ker Hohn gegen­über dem Rest der Gesell­schaft und ins­be­son­de­re all den­je­ni­gen, die sich in der Coro­na-Kri­se wirk­lich gesell­schafts­dien­lich enga­gie­ren. Der Pro­fi­fuß­ball ist längst krank genug und gehört wei­ter­hin in Quarantäne.

Wir ver­tre­ten die kla­re Posi­ti­on, dass es kei­ne Lex Bun­des­li­ga geben darf. Fuß­ball hat in Deutsch­land eine her­aus­ge­ho­be­ne Bedeu­tung, sys­tem­re­le­vant ist er jedoch ganz sicher nicht. Beschrän­kun­gen, die für ver­gleich­ba­re Berei­che der Sport- und Unter­hal­tungs­in­dus­trie gel­ten, müs­sen auch im Fuß­ball Anwen­dung fin­den. In einer Zeit, in der wir alle sehr mas­si­ve Ein­schrän­kun­gen unse­rer Grund­rech­te im Sin­ne des Gemein­wohls hin­neh­men, ist an einen Spiel­be­trieb der Bun­des­li­gen nicht zu den­ken. Wenn seit Wochen über einen Man­gel an Kapa­zi­tä­ten bei CoVid-19-Tests berich­tet wird, ist die Idee, Fuß­ball­spie­ler in einer extrem hohen Tak­tung auf das Virus zu unter­su­chen, schlicht absurd. Ganz zu schwei­gen von der Pra­xis eines Fuß­ball­spiels mit Zwei­kämp­fen, eines nor­ma­len Trai­nings­be­trie­bes in Zei­ten von Ver­samm­lungs­ver­bo­ten und eines gemein­sa­men Ver­fol­gens poten­zi­el­ler Geis­ter­spie­le durch Fans.

Die Rede von gesell­schaft­li­cher Ver­ant­wor­tung und Plä­ne für exklu­si­ve Test­kon­tin­gen­te (über 20.000 Stück) für den Pro­fi­fuß­ball pas­sen nicht zusam­men. Wir ver­ste­hen, dass Ver­eins­funk­tio­nä­re durch­aus recht­li­che Ver­pflich­tun­gen haben, im Sin­ne des finan­zi­el­len Wohls ihres Ver­eins zu han­deln. In einer Situa­ti­on jedoch, in der die gesam­te Gesell­schaft und Wirt­schaft vor enor­men Her­aus­for­de­run­gen ste­hen, ist es für uns nicht nach­voll­zieh­bar, dass offen­bar sämt­li­che Beden­ken hin­ten­an­ge­stellt wer­den, wenn es dar­um geht, den Spiel­be­trieb mög­lichst lan­ge auf­recht­zu­er­hal­ten, bzw. erneut zu starten.

Ganz offen­sicht­lich hat der Pro­fi­fuß­ball viel tie­fer­lie­gen­de Pro­ble­me. Ein Sys­tem, in das in den letz­ten Jah­ren Geld­sum­men jen­seits der Vor­stel­lungs­kraft vie­ler Men­schen geflos­sen sind, steht inner­halb eines Monats vor dem Kol­laps. Der Erhalt der Struk­tu­ren ist voll­kom­men vom Fluss der Fern­seh­gel­der abhän­gig, die Ver­ei­ne exis­tie­ren nur noch in tota­ler Abhän­gig­keit von den Rechteinhabern.

Die Fra­ge, wes­halb es trotz aller Mil­lio­nen kei­ner­lei Nach­hal­tig­keit im Pro­fi­fuß­ball zu geben scheint, wie die Struk­tu­ren und Ver­ei­ne in Zukunft robus­ter und kri­sen­si­che­rer gemacht wer­den kön­nen, wur­de zumin­dest öffent­lich noch von kei­nem Funk­tio­när gestellt. Das ein­zig kom­mu­ni­zier­te Ziel ist ein mög­lichst schnel­les „Wei­ter so!‘‘, das jedoch ledig­lich einer über­schau­ba­ren Zahl an Betei­lig­ten wei­ter­hin über­ra­gen­de Ein­künf­te garan­tiert. Das Gere­de von zig­tau­sen­den Jobs hal­ten wir schlicht in den meis­ten Fäl­len für einen Vor­wand, wei­ter­hin exor­bi­tan­te Mil­lio­nen­ein­künf­te für weni­ge extre­me Pro­fi­teu­re zu sichern. Dies zeigt sich auch in der abso­lu­ten Untä­tig­keit des DFB, im Hin­blick auf den Fuß­ball unter­halb der 2. Bun­des­li­ga. Dass Geis­ter­spie­le hier viel stär­ke­re Fol­gen hät­ten, als in den Ligen der DFL, wird aus­ge­blen­det. Haupt­sa­che das „Pre­mi­um­pro­dukt“ kann wei­ter­exis­tie­ren. Hier wird der DFB sei­ner Rol­le nicht nur nicht gerecht, er zeigt auch wie­der­holt, wes­sen Inter­es­sen er vertritt.

Seit Jah­ren for­dern Fans Refor­men für eine gerech­te­re Ver­tei­lung der TV-Ein­nah­men und kri­ti­sie­ren die man­geln­de Soli­da­ri­tät zwi­schen gro­ßen und klei­nen Ver­ei­nen. Wir wei­sen auf Finanz­ex­zes­se, man­geln­de Rück­la­gen­bil­dung und die teils erpres­se­ri­sche Rol­le von Spie­ler­be­ra­tern hin. Die Gefahr der Abhän­gig­keit von ein­zel­nen gro­ßen Geld­ge­bern haben wir anhand von Bei­spie­len wie 1860 Mün­chen, Carl Zeiss Jena und ande­ren immer wie­der aufgezeigt.

Spä­tes­tens jetzt ist es aller höchs­te Zeit, dass sich Fuß­ball­funk­tio­nä­re ernst­haft mit die­sen Punk­ten aus­ein­an­der­set­zen. Die jet­zi­ge Her­aus­for­de­rung ist auch eine Chan­ce: Die Ver­bän­de soll­ten die­se Kri­se als sol­che begrei­fen und die Struk­tu­ren des moder­nen Fuß­balls grund­le­gend ver­än­dern. Es ist höchs­te Zeit!

 

In die­sem Zusam­men­hang for­dern wir:

  • Der aktu­el­le Plan der DFL, den Spiel­be­trieb im Mai in Form von Geis­ter­spie­len wie­der auf­zu­neh­men, darf nicht umge­setzt wer­den. Wir maßen uns nicht an, zu ent­schei­den, ab wann der Ball wie­der rol­len darf. In einer Situa­ti­on, in der sich der Fuß­ball auf die­se Wei­se so der­ma­ßen vom Rest der Gesell­schaft ent­kop­peln wür­de, darf es jedoch nicht passieren.
  • Eine sach­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit der aktu­el­len Lage muss for­ciert und eine Abkehr vom blin­den Ret­ten der TV-Gel­der voll­zo­gen wer­den. Auch ein mög­li­cher Abbruch der Sai­son darf kein Tabu sein, wenn die gesell­schaft­li­chen Umstän­de es nicht anders zulas­sen. In die­sem Fall soll­ten nicht nur Hor­ror­sze­na­ri­en in Form von dro­hen­den Insol­ven­zen skiz­ziert wer­den, son­dern Lösungs­mög­lich­kei­ten in Form von För­der­dar­le­hen, erwei­ter­ten Insol­venz­fris­ten und ande­ren Kri­sen­in­stru­men­ten, denen sich auch die rest­li­che Wirt­schaft stellt, dis­ku­tiert werden.
  • Eine kom­men­de Lösung muss maxi­mal soli­da­risch sein. Es darf unter den Ver­ei­nen kei­ne Kri­sen­ge­win­ner- und ver­lie­rer geben. Die Sche­re zwi­schen „groß‘‘ und „klein‘‘ darf nicht noch wei­ter aus­ein­an­der­ge­hen. Aus­drück­lich schlie­ßen wir damit auch die Ver­ei­ne der drit­ten Liga und der Regio­nal­li­gen mit ein, für die Geis­ter­spie­le ohne­hin kei­ne Opti­on sind.
  • Die Dis­kus­si­on über grund­le­gen­de Refor­men, um den Pro­fi­fuß­ball nach­hal­ti­ger und wirt­schaft­lich kri­sen­si­che­rer zu gestal­ten, muss jetzt begin­nen. Sie darf nicht nur von Fans und Jour­na­lis­ten geführt wer­den, son­dern ist die zen­tra­le Auf­ga­be der Ver­ant­wort­li­chen der Clubs und Ver­bän­de. Struk­tu­ren und Ver­ei­ne müs­sen auf einen finan­zi­ell und ideell siche­ren Boden zurück­ge­holt wer­den. Dabei muss die 50+1‑Regel wei­ter­hin unbe­rührt bleiben.

Die Pha­se einer von der rest­li­chen Gesell­schaft kom­plett ent­kop­pel­ten Fuß­ball­welt muss ein Ende haben!

Fan­sze­nen Deutsch­lands im April 2020